Europäische und österreichische Klimaziele auf dem Prüfstand

Steht der Aufwand zur Erreichung Klimaziele in einem ausgewogenen Verhältnis zum Nutzen für den Klimaschutz?

Photovoltaikanlage und Windkraft zur Erreichung der europäischen und österreichischen Klimaziele. Copyright: Mike Mareen /Adobe Stock

Europäische Klimaziele als internationale Vorreiterrolle.

Der European Green Deal hat ursprünglich vorgesehen, die europäischen Emissionen bis 2030 um 40 Prozent im Vergleich zum Basisjahr 1990 zu reduzieren. Dieses Ziel war mit Ausnahme einiger weniger Mitgliedsstaaten schon durchaus ambitioniert und realistischerweise nur sehr schwer zu erreichen. Dem aber nicht genug. Die Staats- und Regierungschefs einigten sich beim EU-Ratstreffen im Dezember letzten Jahres darauf, das CO2-Reduktionsziel bis 2030 auf minus 55 Prozent zu verschärfen. Damit nimmt die Europäische Union im internationalen Vergleich eindeutig eine Vorreiterrolle ein.

Die EU emittiert jährlich etwa 3,5 Milliarden Tonnen CO2. Dies entspricht aber nur knapp 10 Prozent der weltweit vom Menschen verursachten CO2-Emissionen. China ist als Hauptverursacher für rund 11 Milliarden Tonnen CO2-Ausstoß jährlich verantwortlich. Die USA belegen den zweiten Platz mit jährlichen Emissionen in Höhe von ca. 5 Milliarden Tonnen CO2. Mit anderen Worten: Wenn die EU ihr Klimaneutralitätsziel bis 2050 erreicht, der Rest der Welt aber weiter macht wie bisher (und die Emissionen weiter steigen), können nicht einmal 10 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes eingespart werden.

Die österreichischen Klimaziele haben nur einen geringen Einfluss auf die Klimaerwärmung.

Österreich hat sich in gewohnter „Gold-Platin-Manier“ sogar zum Ziel gesetzt, bis 2040 klimaneutral zu werden. Momentan werden jährlich ungefähr 48,5 Millionen Tonnen CO2 in Österreich freigesetzt. Das entspricht einem Anteil am weltweiten CO2 Ausstoß von deutlich unter 0,2 Prozent. Daher stellt sich die Frage, ob es denn überhaupt sinnvoll ist, lange vor dem Rest der Welt seine Emissionen auf null zu reduzieren, zumal die Einsparung „unserer“ 0,2 Prozent auf die Klimaerwärmung keine spürbaren Auswirkungen haben dürfte. Die Auswirkung auf unseren Wirtschaftsstandort, die die notwendigen Maßnahmen zur Erreichung des Klimaneutralitätsziels haben, dürften hingegen mehr als spürbar sein. Denn schon jetzt gerät die europäische Industrie zunehmend unter Druck. Die geplante Ausweitung des EU-Emissionshandelssystems auf die Sektoren Verkehr und Gebäude sowie die Reduktion von Gratis-Zertifikaten und Erhöhung des linearen Reduktionsfaktors werden dazu führen, dass sich die Kosten für den Ausstoß einer Tonne CO2 von derzeit 25€ bis 2030 auf über 75€ verdreifachen werden. Logische Konsequenz kann nur die Abwanderung von energieintensiven Betrieben (Carbon Leakage) in Regionen (z.B. China, Indien…) sein, in denen wesentlich günstiger produziert werden kann. Was nicht zuletzt drastische ökologische Konsequenzen bedeutet. Denn schon jetzt wird eine Tonne Stahl, Papier oder Zement nirgends so klimaschonend produziert wie in Mitteleuropa. Ob es geeignete Maßnahmen gibt, um die Klimaziele zu erreichen und gleichzeitig den Wirtschaftsstandort Europa abzusichern, ist fraglich. Strafzölle für CO2-intensive Produkte aus Drittstaaten sind aber definitiv zu kurzsichtig und bestimmt nicht der Weisheit letzter Schluss.

Österreich muss Photovoltaik, Wasserkraft und Windenergie massiv ausbauen.

Die Situation in Österreich stellt sich wie folgt dar. Österreich deckt bereits etwa ¾ des heimischen Strombedarfs aus inländischen erneuerbaren Energiequellen ab. Dieser Wert soll bis 2030 bilanziell auf 100 Prozent ausgebaut werden. Dafür benötigt es einen massiven Ausbau im Bereich der Photovoltaikenergie und eine optimale Nutzung der noch vorhandenen Potentiale im Bereich der Wasserkraft und Windenergie. Zudem muss der Spagat zwischen der Energiewende, der Gewährleistung der Versorgungssicherheit und erschwinglichen wettbewerbsfähigen Strompreisen gelingen. Also für sich allein gesehen schon eine Herkulesaufgabe. Hinzu kommt jedoch, dass der Anteil der elektrischen Energie am nationalen Endenergieverbrauch gerade einmal 21 Prozent ausmacht. Gemessen am Endenergieverbrauch kommt Österreich auf einen Anteil von ca. 36 Prozent aus erneuerbaren Energieträgern. Knapp 60 Prozent entfallen nach wie vor auf Erdöl, Erdgas und Kohle.

Nichtsdestotrotz wird im österreichischen Regierungsprogramm das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 angepeilt. Geht man von einem konstant bleibenden Energieverbrauch aus, bedeutet das, dass innerhalb von 19 Jahren zusätzlich 64 Prozent unseres Energieverbrauchs durch erneuerbare Energieträger substituiert werden sollen.

Beim Strukturwandel hin zu einer dekarbonisierten Wirtschaft muss die Aufrechterhaltung unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit und unseres Wohlstandsniveaus oberste Priorität haben. Ob das Gelingen kann und ob die enormen Kosten und Anstrengungen dafür auch in einem ausgewogenen Verhältnis zum dadurch erreichten Nutzen für den Klimaschutz stehen, sei aber dahingestellt…